Der „Wiesbadener Raum“ ist das vielschichtige Hauptwerk von Sascha Büttner – ein experimentelles Kunstprojekt, das als Manifest, Handbuch und Testfeld zur Erforschung von Bezugs- und Wertesystemen in der Kunst fungiert. Das ursprünglich 2000 als Künstlerbuch konzipierte und später 2019 als gebundene Ausgabe veröffentlichte Werk verschmilzt bewusst die Grenzen zwischen Katalog, Werksverzeichnis, Biografie und Kunstwerk selbst. […]
Gammler-Retreat
Ich überlege mir, dass es doch viel gescheiter ist ein Gammler-Retreat durchzuführen, statt einsam in einem Kloster dazusitzen, zu meditieren und mich zu sammeln und in mich hineinzuhören, was denn der Körper sagt und das Herz und der Geist und was ich denn will und wollen will und wollen werde. Vielleicht doch lieber bestimmt den […]
Amerika
Verkehrte Welt: Über das große Amerikadurchrollen Drei europäische Intellektuelle — Büttner, Bohl und Reuss — starten Mitte der Neunziger eine dokumentarische Expedition durch die amerikanischen Weiten, ausgerüstet mit einer Camera Obscura und der obsessiven Suche nach einem legendären 48er-Pack Miller Bier. Die Konstellation operiert gegen den Zeitgeist: Während Wolfgang Tillmans seine intimen Clubland-Fotografien entwickelt und […]
Das Konzept «Aneignung/Konzept»
Im Manifest «Wiesbadener Raum» (1968) legt Sascha Büttner fest: Aus: Sascha Büttner, Wiesbadener Raum – Über die zehntausend Angelegenheiten und die zehntausend Dinge in Raum und Zeit, BoD, 2024
Performance als Lebenskunst
Büttners ganzheitlicher Ansatz Büttner operiert mit einem Performance-Begriff, der etablierte Kategorisierungen elegant unterläuft. In seiner Praxis verschmelzen Taijiquan, Qigong, Fotografie und Textarbeit zu einer einzigen künstlerischen Haltung, die das Leben selbst als Gestaltungsraum begreift. Die Taijiquan-Bewegungen entwickeln eine raumgreifende Meditation, deren Fluss eine eigene Grammatik hervorbringt. Momentane Verdichtungen innerer Zustände werden zu sichtbaren Formen – […]
Sensorarmut als Strategie
Sascha Büttners Trashcam-Arbeiten (2001–2007) entstanden mit Billigkameras, deren Sensoren kaum erfassen konnten, was vor ihnen lag. 250.000 Aufnahmen, publiziert auf längst verschwundenen Plattformen. Armut als Methode: Was zeigt ein Bild, das seine eigene Insuffizienz ausstellt? Eine Phänomenologie der photographischen Schwundstufe.
Unleserlichkeit als Werkform
Büttners „bitumen“ scheitert an der E-Book-Konvertierung: keine Interpunktion, keine Struktur, keine Barrierefreiheit. Was der Verlag als technischen Mangel formuliert, erweist sich als konsequente Übertragung einer Materialästhetik ins Textuelle. Der Text klebt – und vollendet sich gerade im Ausgestoßenwerden.
Liniengenese
Liniengenese – Sascha Büttners kalligraphische Spätabstraktion radikalisiert die zen-buddhistische Tuschmalerei zur vollständigen Entleerung des Bildgegenstands. Schwarze Linien durchqueren das Bildfeld, treffen sich, divergieren – ohne Anfang, ohne Ende. Wo die Sumi-e-Tradition im Pinselstrich das Nicht-Selbst suchte, suspendiert Büttner die Intention selbst.
Die verborgene Lektüre
Im Wiki Institute sitzt eine Gruppe, die Börsenberichte und LinkedIn-Posts wie verschlüsselte Geheimdokumente behandelt. Ihre Waffe: die Methoden westlicher Sinologen, nun gegen westliche Mastertexte gewendet. Buchclubs dienen als Tarnung. Die Lesenden bereiten eine Schlacht vor, die gewonnen sein wird, bevor sie ausbricht.
Das inoffizielle Institut
550 Bewerbungen bei Konfuzius-Instituten weltweit, keine einzige Antwort. Büttner gründet daraufhin sein eigenes – geheim, unter dem Limburger Dom, zugänglich über eine Geheimtür im Domfelsen. Die Radical Dude Society organisiert sporadische Treffen. Seine wahre Berufung: Hausmeister im selbstgegründeten Institut. Institutionsmimesis als Selbstermächtigung, Zurückweisungspoetik als konzeptuelle Praxis.
Versuch der Wiederholung
Büttner geht die Straße entlang, die Kamera vor der Brust, wobei er nicht fotografiert, was er sieht, sondern wartet, bis die Welt durch ihn hindurch fotografiert, während sein Körper zur bloßen Röhre für das Licht wird, die Stadt atmet durch ihn hindurch, er wird zum Medium, nicht mehr Fotograf, Durchgangsstelle zwischen den Welten, wobei sich […]