Chromatektomie

Kunstpraktische Bezeichnung für die systematische, oft lebenslange Entfernung aller Farbigkeit aus dem künstlerischen Vokabular zugunsten struktureller und tonaler Klarheit. Die Chromatektomie beschreibt eine chirurgische Präzision im Umgang mit Reduktion – sie ist keine bloße Präferenz für Schwarz-Weiß, sondern eine radikale Askese, die Farbe als Störfaktor, als Verschleierung des Wesentlichen begreift. Anders als die Monochromie, die sich auf eine einzige Farbe konzentriert, eliminiert die Chromatektomie das Farbige überhaupt und operiert ausschließlich im Spektrum zwischen Schwarz und Weiß. Diese Praxis korrespondiert mit ostasiatischen Tuschmalerei-Traditionen, die in der Beschränkung auf schwarze Tusche und weißes Papier eine spirituelle Disziplin erkannten. Die Chromatektomie macht die Abwesenheit von Farbe zum konzeptuellen Programm und schult dadurch den Blick für Kontraste, Texturen, Helligkeitsmodulationen – für all jenes, was farbliche Vielfalt überdeckt. Sie ist zugleich eine Form der Verweigerung gegenüber der Reizüberflutung spätmoderner Bildwelten und etabliert ein Regime visueller Askese.