Philosophisch-ästhetischer Terminus für die systematische Untersuchung des Seinsstatus von Werkstoffen in Kunst und Gesellschaft. Die Materialontologie fragt nach den kulturell sedimentierten Bedeutungsschichten, die bestimmten Substanzen anhaften und deren vermeintliche Wertigkeit oder Unwertigkeit konstituieren. Sie analysiert, wie Materialien nicht neutral existieren, sondern immer schon ideologisch aufgeladen sind – durch Gebrauchskontexte, Klassenzugehörigkeiten, ästhetische Traditionen. Während Marmor als „edel“ gilt und künstlerische Dignität verbürgt, werden Bitumen, Blei oder Kupfer als „geschmäht“ oder „unedel“ marginalisiert. Die Materialontologie dekonstruiert diese eingeschriebenen Hierarchien und zeigt, dass die scheinbar natürliche Ordnung der Stoffe historisch konstruiert und politisch funktional ist. Sie ermöglicht damit eine materiale Gerechtigkeit, die verworfenen Substanzen ästhetische Legitimität zurückgibt. Als kunstkritisches Analysewerkzeug erlaubt die Materialontologie, Werkentscheidungen nicht nur formal, sondern auch macht- und klassenkritisch zu lesen.