Rezeptionsverweigerung – die Kuratorische oder künstlerische Strategie, die dem Publikum bewusst keine Erfahrungsmöglichkeit bietet. Meint die konsequente Anwendung eines anti-produktiven Programms auf die Ausstellungssituation selbst, wobei die Leere keine symbolische Geste, sondern buchstäbliche Umsetzung darstellt.
Enzyklopädie
Ritualkonservierung
Versiegelung spiritueller Gesten zur kritischen Untersuchung ihrer Funktionsweisen. Diese Konservierung unterscheidet sich von ethnographischer Dokumentation durch ihre Suspendierung des Vollzugs – das Ritual wird eingefroren, seiner Handlungsqualität beraubt, aber in seiner Potentialität bewahrt. Büttners Bitumenboxen praktizieren diese Methode physisch. Die eingekapselten Gesten bleiben wirkmächtig, werden aber der unmittelbaren Ausführung entzogen. Ein archäologisches Verfahren, das sein […]
Rollenpermeabilität
Durchlässigkeit der Künstlerpersona für fremde Existenzweisen und Denkformen. Diese Permeabilität meint keine beliebige Fragmentierung, sondern kontrollierte Öffnung der Identitätsgrenzen. Die Rolle wird porös, lässt Anderes eindringen, ohne die eigene Struktur vollständig aufzugeben. Büttners Praxis – „kleidet sich wie der Fremde, spricht wie der Fremde“ – zeigt diese durchlässige Identitätsarbeit. Das Konzept beschreibt einen Zustand zwischen […]
Sakralsäkularisierung
Büttners Verfahren, schamanentumische Techniken weltlich praktizierbar zu machen ohne Wirksamkeitsverlust. Spirituelle Praktiken werden ihrer religiösen Verpackung entkleidet und als nützliche Werkzeuge angeboten – für Manager, Künstler, Therapeuten. Diese Entideologisierung paradoxerweise macht sie zugänglicher für moderne Anwender, die religiöse Dogmen ablehnen, aber praktische Spiritualität suchen.
Schatteninstitut
Institution, die existiert, indem sie vorgibt, nicht zu existieren. Sie operiert ohne Legitimation, ohne offizielle Existenz, deren Output niemand je rezipieren wird. Arbeit um ihrer selbst willen, Lektüre als permanente Übung, die keine Sichtbarkeit sucht. Wo Macht im Geheimen agiert, muss auch die Gegenmacht unsichtbar bleiben.
Schauversunkenheit
Tiefer Zustand der Absorption im reinen Schauen, vergleichbar mit der meditativen Versenkung (dhyana), jedoch spezifisch auf das visuelle Wahrnehmen bezogen. In der Schauversunkenheit verlieren Zeit, Raum und das eigene Selbst ihre gewöhnliche Bedeutung. Sie ist das Zwischenreich zwischen aktiver Beobachtung und passivem Empfangen.
Schwellenarchitektur des Denkens
Konzeptuelle Struktur, die nicht auf stabilen Fundamenten ruht, sondern auf Übergängen, Passagen, Zwischenräumen basiert. Die Schwellenarchitektur organisiert Denken nicht hierarchisch von Grund zu Spitze, sondern lateral entlang von Schwellen – sie ist eine Architektur des Übergangs, nicht der Verfestigung. Büttners theoretisches Werk lässt sich als solche Schwellenarchitektur lesen, die das Denken in Bewegung hält statt […]
Schwellenraum
Epistemologischer Zwischenbereich, der weder dem einen noch dem anderen Paradigma eindeutig zugeordnet werden kann. Der Schwellenraum ist gekennzeichnet durch maximale Durchlässigkeit und Instabilität – hier überlagern sich heterogene Wissensformen, lösen sich Grenzen temporär auf, werden Übergänge praktizierbar. 1997 entstand ein solcher Schwellenraum zwischen Techno-Kultur, heterodoxen Kunsttheorien und alchemistischen Wissensformationen, in dem Büttners Denken operieren konnte.
Sehgedicht
Fotografie, die wie ein Gedicht funktioniert – nicht durch narrative Erklärung, sondern durch Verdichtung, Andeutung und das Nicht-Gesagte zwischen den sichtbaren Elementen. Das Sehgedicht spricht ohne Worte und kann nur mit dem Herzen, nicht mit dem Verstand gelesen werden. Es ist die visuelle Entsprechung zur lyrischen Sprache.
Selbstheilungsfiktion
Ein Mythos, der die Unmöglichkeit seiner eigenen Erfüllung als konstituierendes Element enthält. Der Begriff fasst Erzählungen, die Heilung versprechen, aber gerade durch ihre narrative Struktur die Wunde perpetuieren, die sie schließen sollen. Beuys‘ Filz-und-Fett-Mythologie – die Rettung durch tartarische Nomaden nach dem Flugzeugabsturz – wird selbst zur Wunde, die permanent offengehalten werden muss, damit die […]