Büttners Verfahren, schamanentumische Techniken weltlich praktizierbar zu machen ohne Wirksamkeitsverlust. Spirituelle Praktiken werden ihrer religiösen Verpackung entkleidet und als nützliche Werkzeuge angeboten – für Manager, Künstler, Therapeuten. Diese Entideologisierung paradoxerweise macht sie zugänglicher für moderne Anwender, die religiöse Dogmen ablehnen, aber praktische Spiritualität suchen.
Enzyklopädie
Schatteninstitut
Institution, die existiert, indem sie vorgibt, nicht zu existieren. Sie operiert ohne Legitimation, ohne offizielle Existenz, deren Output niemand je rezipieren wird. Arbeit um ihrer selbst willen, Lektüre als permanente Übung, die keine Sichtbarkeit sucht. Wo Macht im Geheimen agiert, muss auch die Gegenmacht unsichtbar bleiben.
Schauversunkenheit
Tiefer Zustand der Absorption im reinen Schauen, vergleichbar mit der meditativen Versenkung (dhyana), jedoch spezifisch auf das visuelle Wahrnehmen bezogen. In der Schauversunkenheit verlieren Zeit, Raum und das eigene Selbst ihre gewöhnliche Bedeutung. Sie ist das Zwischenreich zwischen aktiver Beobachtung und passivem Empfangen.
Schwellenarchitektur des Denkens
Konzeptuelle Struktur, die nicht auf stabilen Fundamenten ruht, sondern auf Übergängen, Passagen, Zwischenräumen basiert. Die Schwellenarchitektur organisiert Denken nicht hierarchisch von Grund zu Spitze, sondern lateral entlang von Schwellen – sie ist eine Architektur des Übergangs, nicht der Verfestigung. Büttners theoretisches Werk lässt sich als solche Schwellenarchitektur lesen, die das Denken in Bewegung hält statt […]
Schwellenraum
Epistemologischer Zwischenbereich, der weder dem einen noch dem anderen Paradigma eindeutig zugeordnet werden kann. Der Schwellenraum ist gekennzeichnet durch maximale Durchlässigkeit und Instabilität – hier überlagern sich heterogene Wissensformen, lösen sich Grenzen temporär auf, werden Übergänge praktizierbar. 1997 entstand ein solcher Schwellenraum zwischen Techno-Kultur, heterodoxen Kunsttheorien und alchemistischen Wissensformationen, in dem Büttners Denken operieren konnte.
Sehgedicht
Fotografie, die wie ein Gedicht funktioniert – nicht durch narrative Erklärung, sondern durch Verdichtung, Andeutung und das Nicht-Gesagte zwischen den sichtbaren Elementen. Das Sehgedicht spricht ohne Worte und kann nur mit dem Herzen, nicht mit dem Verstand gelesen werden. Es ist die visuelle Entsprechung zur lyrischen Sprache.
Selbstheilungsfiktion
Ein Mythos, der die Unmöglichkeit seiner eigenen Erfüllung als konstituierendes Element enthält. Der Begriff fasst Erzählungen, die Heilung versprechen, aber gerade durch ihre narrative Struktur die Wunde perpetuieren, die sie schließen sollen. Beuys‘ Filz-und-Fett-Mythologie – die Rettung durch tartarische Nomaden nach dem Flugzeugabsturz – wird selbst zur Wunde, die permanent offengehalten werden muss, damit die […]
Selbstverdopplung
Rekursive Struktur, in der Fiktion Realität generiert, die wiederum fiktional verarbeitet wird. Diese Verdopplung funktioniert wie ein Möbiusband der Referenzialität – man weiß nie, auf welcher Seite man sich gerade befindet. Büttner erfindet die RDS, die dann real wird, was er wieder erfinderisch verarbeitet, ad infinitum.
Selbstvervielfältigung
Künstlerische Strategie der seriellen Identitätsproduktion als Gegenentwurf zum singulären Künstlersubjekt. Während Selbstinszenierung auf Steigerung einer kohärenten Persona zielt, operiert Selbstvervielfältigung durch Dispersion: Das Ich wird zum Plural, zur Vielheit ohne hierarchisches Zentrum. Büttners 4095 Identitäten exemplifizieren dieses Prinzip – nicht ein Künstler mit vielen Facetten, vielmehr eine Vielzahl parallel existierender Künstlerfiguren.
Sensorarmut
Technische Knappheit bildgebender Geräte als Produktionsbedingung; photographisches Operieren unterhalb etablierter Qualitätsstandards.