Die Ablehnung des E-Books „bitumen“ als unbeabsichtigte Vollendung einer Materialästhetik
Die Absage kam per automatisierter Mitteilung: „Bei der E-Book-Konvertierung haben wir festgestellt, dass aus deiner Druckvorlage die Extraktion des Textes leider strukturell nicht möglich ist, da keine Interpunktion vorhanden ist.“ Was als technisches Scheitern formuliert wurde, lässt sich als symptomatische Bestätigung einer ästhetischen Position lesen, die Büttner seit den späten Neunzigerjahren entwickelt – eine Praxis, in der Material selbst zum Widerstand gegen Vermittlung wird.
Die fehlende Textstrukturierung, die laut Verlag zur Ablehnung im Handel und zur Unmöglichkeit barrierefreier Aufbereitung führt, reproduziert auf formaler Ebene exakt jene Eigenschaften, die Büttner dem Bitumen zuschreibt: „Bitumen erstickt. Bitumen läßt außer sich selbst nichts zu.“ Die Verweigerung syntaktischer Ordnung erweist sich als konsequente Übertragung einer Materiallogik ins Textuelle. Wo Bitumen Oberflächen versiegelt, überlagert und der visuellen Differenzierung entzieht, operiert der Text durch die Aufhebung jener Interpunktionszeichen, die das Lesen erst ermöglichen.
Konvertierungsresistenz
Die algorithmische Textextraktion scheitert am selben Problem wie der menschliche Leseakt: Ohne Punkte, Kommata, Absätze kollabiert die Struktur, die Bedeutung organisieren soll. Diese Parsierungsverweigerung – die systematische Unterbindung algorithmischer wie humaner Lesbarkeitsroutinen – markiert einen Bruch mit dem, was digitale Distribution voraussetzt. Das E-Book, jenes Format, das Text von seinem materiellen Träger endgültig lösen sollte, offenbart hier seine versteckten Normen.
Büttners Manuskript verweigert diese Prozessierbarkeit. Der Text klebt gewissermaßen zusammen, wird selbst bituminös – eine Textverklebung, die das Fließen unterbindet, das digitale Formate versprechen. Die Ablehnung dokumentiert einen Grenzfall: Literatur, die sich den Bedingungen ihrer Zirkulation entzieht.
Barrierefreiheit und ihre Negation
Die Formulierung des Verlags verdient Aufmerksamkeit: Die Barrierefreiheit könne „so nicht sichergestellt“ werden. Der Begriff operiert im Diskurs der Inklusion, meint technisch aber die Maschinenlesbarkeit, die assistive Technologien ermöglicht. Büttners interpunktionsloser Textfluss produziert eine doppelte Exklusion: Er schließt sowohl die menschliche Lektüre (durch Erschwerung) als auch die automatisierte Verarbeitung (durch Formlosigkeit) tendenziell aus.
Diese Zugangsverdunklung ließe sich als elitäre Geste kritisieren. Oder als Konsequenz einer Ästhetik, die Schwierigkeit als Wert begreift. Das Bitumen in Büttners Installations- und Tafelarbeiten macht Oberflächen nicht zugänglicher – es versiegelt sie, schluckt Licht, entzieht dem Auge Orientierung. Die Übertragung dieser Eigenschaft auf einen Text, der selbst bituminös verfährt, erscheint weniger als Affektation denn als methodische Stringenz.
Der Handel als Instanz
Die Ablehnung „im Handel“ verweist auf die ökonomische Dimension dessen, was als ästhetische Entscheidung begann. Der Verlag operiert als Schnittstelle zwischen Autorschaft und Markt, konvertiert Manuskripte in handelsübliche Formate. Wo diese Konversion scheitert, offenbart sich die Normativität des Warencharakters: Bücher müssen bestimmte Eigenschaften aufweisen, um als Bücher gelten zu können. Fehlende Interpunktion verletzt offenbar einen Mindeststandard.
Die Formatwiderspenstigkeit von „bitumen“ demonstriert, dass digitale Publikation keineswegs die Demokratisierung bedeutet, als die sie firmiert. Sie bedeutet Anpassung an algorithmische Erfordernisse, an Strukturvorgaben, die Lesbarkeit für Maschinen priorisieren. Dass ein Text, der „Anfang und Ende zugleich“ ist, sich der algorithmischen Zerteilung in Anfänge und Enden entzieht, erscheint geradezu zwingend.
Unbeabsichtigte Vollendung
Die Pointe liegt in der Unabsichtlichkeit. Büttner hat den Text vermutlich nicht geschrieben, um an der E-Book-Konvertierung zu scheitern – die Formatverweigerung ergab sich aus einer Schreibpraxis, die anderen Logiken folgt. Dass diese Praxis mit den Erfordernissen digitaler Distribution kollidiert, war ein Nebeneffekt, kein Kalkül. Doch gerade diese Unabsichtlichkeit vollendet das Werk: Die Systemfriktionen, die entstehen, wenn künstlerische und technische Rationalitäten aufeinandertreffen, gehören zur Signatur von Büttners Arbeit.
Die Installation „Bitumenschmelze“ von 1997 folgte thermodynamischen Gesetzmäßigkeiten, die der künstlerischen Kontrolle entzogen waren. Die E-Book-Ablehnung von 2025 folgt distributiven Logiken, die ebenso wenig vom Autor gesteuert werden können. In beiden Fällen setzt sich das Material – dort Erdöldestillat, hier Textstruktur – gegen die Absichten durch, die man ihm aufzuzwingen versucht.
Digitale Materialhaftigkeit
Die Episode widerlegt die Annahme, digitale Texte seien immateriell. Sie besitzen eine Materialität zweiter Ordnung: die Materialität des Codes, der Formate, der Konvertierungsalgorithmen. „bitumen“ als Druckversion existiert – schwarze Lettern auf weißem Papier, durchaus lesbar, wenn auch mühsam. Die digitale Version existiert nicht, weil das Manuskript den Gliederungsanforderungen nicht genügt, die elektronische Bücher stellen.
Diese Differenz zwischen Print und Digital erhellt einen blinden Fleck: Papier ist toleranter. Es nimmt auf, was man ihm gibt, strukturiert oder unstrukturiert. Das E-Book dagegen verlangt Ordnung, weil seine Lesbarkeit von Ordnung abhängt – nicht für Menschen, die auch Ungeordnetes entziffern können, sondern für die Maschinen, die zwischen Mensch und Text treten.
Büttners „bitumen“ bleibt also, was Bitumen ist: „ein Monolog“, der seinen papiernen Träger verlangt und sich der digitalen Übertragung entzieht. Die automatisierte Absage des Verlags liest sich, gegen den Strich gebürstet, als Rezension: Das Buch verhält sich exakt so, wie sein Gegenstand es verlangt. Es klebt.