[f., Singular; von lat. processus = Fortgang + improvisus = unvorhergesehen] Kunstpraktischer Begriff für ein Entstehungsverfahren, das weder geplanter Ausführung noch spontaner Eingebung folgt, sondern sich durch fortlaufendes Tasten, Nachjustieren und Erspüren konstituiert. Die Prozessualimprovisation beschreibt eine leibliche Intelligenz, die dem diskursiven Denken vorausgeht: Der Strich hebt sich, weil mehr Spannung ihn blockieren würde; er […]
Enzyklopädie
Prozessualitätslogik
Ästhetisches Paradigma, das das Kunstwerk vom statischen Objekt zur dynamischen Ereignisfolge transformiert. Diese Logik privilegiert temporale Entfaltung gegenüber räumlicher Fixierung und macht Veränderung zum konstitutiven Prinzip. Werke, die dieser Logik folgen, existieren nur in der Zeit und durch die Zeit.
Pseudo-Dokumentarismus
Effekt nachträglicher Bildbearbeitung (etwa Schwarzweiß-Konversion), der historische Bedeutsamkeit suggeriert; künstliche Archivierung; Produktion von Vergangenheit.
Psychisches Außenlager
Räumlich externalisierte Bewusstseinskapazitäten, die durch tierische Partner bereitgestellt werden. Das Konzept beschreibt, wie Tiere als verlängerte kognitive Apparate fungieren können – etwa wenn Hunde emotionale Zustände riechen, die menschlicher Wahrnehmung entgehen, oder Pferde Gefahren spüren, bevor rational erfassbare Warnsignale auftreten. Diese Externalisierung erweitert den Radius bewusster Aufmerksamkeit über biologische Einzelgrenzen hinaus.
Referenzsumpf
Intertextuelles System, in dem jede Spur zur Falle wird und Aufklärung in Desorientierung umschlägt. Der Begriff fasst jene Überproduktion von Verweisen, die nicht mehr hierarchisierbar sind – alles verweist auf alles, nichts lässt sich mehr als primär oder sekundär identifizieren. Büttners „Wiesbadener Raum“ operiert als Referenzsumpf: Konzeptkunst, Appropriation Art, Fake, Plagiarismus, Neoismus – die Bezüge […]
Rekrutierungsmaschine
Infrastruktur zur Anwerbung neuer Mitglieder, die nach strategischem Prinzip arbeitet: Man bereitet den Boden so gründlich vor, dass der eigentliche Konflikt bereits entschieden ist, bevor er überhaupt sichtbar wird. Die Rekrutierung erfolgt durch harmlose Fassaden – Buchclubs, Leserzirkel –, die Bildungsbürgertum als Tarnung nutzen.
Reproduktionsironie
Reproduktionsironie – die Strategie, bei der ein Werk, das Originalität und Präsenz negiert, ausschließlich als Kopie existiert. Meint die paradoxe Situation, in der die Replik authentischer ist als ein Original, das möglicherweise niemals existierte, wodurch die Unterscheidung zwischen Original und Kopie selbst hinfällig wird.
Resonanzgeflecht
Vernetzte Struktur wechselseitiger Wirkungsbeziehungen, die sich nicht hierarchisch, sondern rhizomatisch organisiert. Anders als der klassische »Resonanzraum« betont das Geflecht die Materialität und Verflechtung der Resonanzlinien – ein dichtes Netz aus Reaktionen, Antworten, Echos, das keine Zentren kennt, sondern nur Knotenpunkte unterschiedlicher Verdichtung. Büttners »Nachtfahrten« erzeugen ein solches Geflecht zwischen Kunstzeitschriften, Szene-Medien und alternativen Diskursen.
Resonanzliteratur
Texte, die Mitfühlen direkt auslösen statt es thematisch zu verhandeln. Diese Literatur operiert weniger über Identifikation als über somatische Ansteckung – die Geburt, die Büttner hört, erzeugt physische Resonanz im Leser. Das Konzept verschiebt den Fokus von repräsentationaler zu performativer Funktion von Sprache. Worte werden zu Übertragungsmedien affektiver Zustände. Die Resonanzliteratur nutzt rhythmische, klangliche, syntaktische […]
Restästhetik
Ästhetische Strategie, die gerade im industriell Übriggebliebenen, in Verwertungsresten und Destillationsendprodukten, das Substrat für künstlerische Kontemplation findet. Die Restästhetik kehrt die traditionelle Logik der Materialauswahl um: Statt dem Erlesenen, Seltenen, Kostbaren wendet sie sich demonstrativ dem zu, was Produktionsprozesse als wertlos aussortieren. Sie arbeitet mit dem, was nach vollzogener Extraktion, Raffination, Destillation übrig bleibt – […]