Rekursive Struktur, in der Fiktion Realität generiert, die wiederum fiktional verarbeitet wird. Diese Verdopplung funktioniert wie ein Möbiusband der Referenzialität – man weiß nie, auf welcher Seite man sich gerade befindet. Büttner erfindet die RDS, die dann real wird, was er wieder erfinderisch verarbeitet, ad infinitum.
Enzyklopädie
Selbstvervielfältigung
Künstlerische Strategie der seriellen Identitätsproduktion als Gegenentwurf zum singulären Künstlersubjekt. Während Selbstinszenierung auf Steigerung einer kohärenten Persona zielt, operiert Selbstvervielfältigung durch Dispersion: Das Ich wird zum Plural, zur Vielheit ohne hierarchisches Zentrum. Büttners 4095 Identitäten exemplifizieren dieses Prinzip – nicht ein Künstler mit vielen Facetten, vielmehr eine Vielzahl parallel existierender Künstlerfiguren.
Sensorarmut
Technische Knappheit bildgebender Geräte als Produktionsbedingung; photographisches Operieren unterhalb etablierter Qualitätsstandards.
Sensormönchtum
Kontemplative Praxis repetitiver Bildproduktion oder -beobachtung mit unzureichenden Mitteln; Trashcam- und Webcam-Arbeit als ritualisierte Übung; Askese der Auflösung.
Sichtbarkeitsschwelle des Digitalen
Grenzwert, an dem das digitale Bild gerade noch als Bild erkennbar ist; Übergang zwischen visueller Information und Rauschen.
Signaturlosigkeit
Programmatische Strategie der Post-Autorialität, die Künstleridentität als manipulierbares Betriebssystem begreift. Büttners Spiel mit Pseudonymen und falschen Zuschreibungen schafft Autorschaft als leere Kategorie – funktional gerade durch ihre Unbestimmbarkeit. Signaturlosigkeit ermöglicht diskursive Mobilität jenseits institutioneller Fixierung, hackt die Brand-Logik des Kunstmarkts durch systematische Tarnung. Was nicht eindeutig zugeordnet werden kann, entzieht sich der Vereinnahmung, bleibt verfügbar […]
Sisyphushafte Textarbeit
Lektürepraxis, die weiß, dass das eigentliche Machtzentrum unerreichbar bleibt, weil es vielleicht gar keins gibt. Das Scheitern wird zur Methode, die endlose Arbeit zum Widerstand gegen die Fiktion eines durchschaubaren Systems. Die Arbeit geschieht dennoch, gerade weil sie nie abgeschlossen werden kann.
Somatoepisteme
Körperbasiertes Wissen, das durch leibliche Vollzüge statt diskursive Reflexion erschlossen wird. Diese Episteme anerkennt den Körper als eigenständiges Erkenntnismedium mit spezifischen Zugängen zur Welt. Taijiquan praktiziert solche somatische Epistemologie – die langsamen Bewegungen generieren Wissen über Energieflüsse, Gleichgewichte, Spannungen, das begrifflich nicht fassbar wird. Büttners jahrzehntelange Praxis etabliert eine körperliche Intelligenz, die seine künstlerischen Entscheidungen […]
Spannungslatenz
[f., Singular; von lat. tensio = Spannung + latens = verborgen] Phänomenologischer Begriff für den Zustand scheinbarer Ruhe, der verborgene Kräfte enthält. Die Spannungslatenz beschreibt jene meditative Stille, die sich bei längerer Betrachtung als Resultat eines Kräftegleichgewichts erweist – nicht als Abwesenheit von Kräften. Jede Linie zieht an den anderen, jede Kreuzung ist ein momentanes […]
Spurenökonomie
Verwaltungssystem historischer Reste, das deren Zirkulation, Verwertung und symbolische Kapitalisierung reguliert. Diese Ökonomie folgt eigenen Gesetzen: Spuren akkumulieren Wert durch Authentizitätsbehauptungen, werden gehandelt als Erinnerungswährung, inflationieren bei Überproduktion. Die Fotografien unter Büttners Steinen partizipieren an dieser Ökonomie und sabotieren sie zugleich – schutzlos der Witterung preisgegeben, entziehen sie sich der musealen Konservierung, die Spuren in […]