Kunstpraktik, die Zeit nicht als äußeren Rahmen, sondern als genuines künstlerisches Medium begreift. Diese Ästhetik arbeitet mit der Zeitlichkeit als skulpturalem Material und entwickelt Verfahren, die zeitliche Prozesse sichtbar und erfahrbar machen. Sie unterscheidet sich von Performance durch ihre Fokussierung auf die Zeit selbst statt auf zeitlich begrenzte Aktionen.
Enzyklopädie
Temporalschicht
Zeittheoretische Kategorie für die Überlagerung verschiedener Zeitebenen innerhalb eines einzigen Werks oder Ereignisses. Temporalschichten entstehen, wenn lineare Chronologie durch zirkuläre, spiralförmige oder gestaffelte Zeitverläufe durchbrochen wird. Besonders prozessuale Arbeiten entwickeln solche geschichteten Zeitlichkeiten, da sie simultane Vergangenheit (Ausgangsmaterial), Gegenwart (Transformation) und Zukunft (Endergebnis) komprimieren. Die Temporalschicht widerspricht damit musealer Fixierung und etabliert stattdessen fluide Zeitkonzepte.
Textarchäologie des Kapitals
Verfahren, das Texte als Sedimentschichten behandelt, in denen sich Machtstrukturen eingelagert haben. Was sich zunächst als harmloses Kulturgut präsentiert, erweist sich unter archäologischem Blick als Fundstück struktureller Gewalt. Die Archäologie legt frei, wie sich in der Syntax selbst ideologische Fundamente stabilisieren.
Textgewirr
Architektur labyrinthischer Textstrukturen, deren zentrifugale Kräfte jede lineare Lektüre sabotieren. Das Gewirr entsteht durch bewusste Verknotung narrativer Fäden, die sich weder entwirren lassen noch entwirrt werden sollen. Es geht um die Kultivierung produktiver Desorientierung als Leseerfahrung.
Textualitätsdrift
Spezifische Dynamik selbstreflexiver Schreibbewegungen, die ihren Gegenstand im Moment der Artikulation auflösen. Diese Drift bezeichnet jenes Gleiten zwischen Bedeutungsebenen, bei dem das Schreiben seinen eigenen Grund permanent unterminiert – eine Art textueller Kontinentaldrift, die neue semantische Formationen entstehen lässt.
Textverklebung
Zustand eines Schriftgebildes, dessen Elemente nicht mehr diskret voneinander abgrenzbar sind. Der Begriff überträgt die physischen Eigenschaften klebriger Substanzen – Bitumen, Teer, Honig – auf textuelle Phänomene: Wörter, die ineinander übergehen, Sätze ohne erkennbare Grenzen, ein Kontinuum aus Zeichen, das dem Zugriff widersteht. Textverklebung meint das Gegenteil jener sauberen Segmentierung, die digitale Formate verlangen. Wo […]
Thermoplastik
Thermoplastik [f., Singular] Kunsttheoretischer Begriff für Gestaltungsprozesse, die Hitzeeinwirkung als konzeptuelles Element integrieren. Meint weniger die technische Eigenschaft formbarer Kunststoffe, sondern vielmehr eine Ästhetik der kontrollierten Unkontrollierbarkeit — Formfindung durch thermodynamische Gesetze statt durch Künstlerhand. Die Thermoplastik macht Temperatur zum Mitakteur des Werkprozesses und untergräbt damit klassische Autorschaftskonzepte.
Tiefenschichten
Tiefenschichten (f., Plural): Verborgene Bedeutungsebenen, energetische Dimensionen und strukturelle Komplexitäten, die unter der Oberfläche manifester Phänomene operieren. Der Terminus evoziert geologische, psychoanalytische und archäologische Assoziationen. Im Kontext von Büttners Qigong-Praxis bezeichnen Tiefenschichten jene Bereiche, wo Atemrhythmus und Aufmerksamkeitslenkung zu subtiler Performativität verschmelzen. Die Terminologie etabliert ein Modell stratifizierter Wirklichkeit, in dem verschiedene Ebenen simultan operieren […]
Traditionsfluktuation
Dynamischer Transformationsmodus zwischen historischer Quelle und gegenwärtiger Praxis. Die Traditionsfluktuation beschreibt jenen fluiden Zustand, in dem überliefertes Wissen seine statische Fixierung verliert und zu einer beweglichen Ressource zeitgenössischer Gestaltung wird. Büttners Begriff erfasst die produktive Spannung zwischen historischer Kontinuität und innovativer Adaption – Tradition als lebendiger Prozess statt musealer Konservierung.
Trans-humane Sensorik
Wahrnehmungsfähigkeiten, die menschliche Sinnesgrenzen systematisch überschreiten und dabei neue Formen der Welterschließung ermöglichen. Trans-humane Sensorik entsteht durch Integration tierischer Wahrnehmungskompetenzen, technischer Messinstrumente und erweiterter Bewusstseinszustände. Sie zielt nicht auf Überwindung des Menschlichen, sondern auf dessen produktive Entgrenzung durch kooperative Verflechtung mit anderen Erkenntnisformen.